Mittwoch, 9. Juli 2014

GESCHRIEBEN/ Höhle

Wenn man in einem fahrenden Zug sitzt, an einem regnerischen Tag in einem fahrenden Zug sitzt, kann man drei Arten von Regentropfen beobachten. Solche, am nächsten bei dir und am besten dazu geeignet, um verträumt aus dem Fenster und genau genommen doch nur bis zum Fenster zu blicken, die sich sammeln, bis sie zu schwer werden und die Scheibe herunterrinnen, vom Fahrtwind in schiefe Bahnen gelenkt. Dann solche, die am weitesten von dir entfernt sind und von dir und dem Zug, in dem du sitzt, gar nichts erfahren. Sie fallen einfach herunter, prasseln auf Baumkronen, Autodächer, Hausdächer und Köpfe. Schließlich gibt es solche, die die aufreibendste Begegnung mit dem Zug machen, der dich beherbergt. Ihre Gattung ist nur zu beobachten, wenn es wirklich schüttet, pladdert wie aus Kübeln, wenn alle Pforten des Himmels geöffnet sind und der Zug, in dem du sitzt, eine gewisse Geschwindigkeit erreicht hat. Dann laufen sie vom Dach am Fenster vorbei herunter, werden vom Fahrtwind ergriffen und bilden einen herunter- und zugleich vorbeifließenden Strom, einen Vorhang aus Tropfen, der im oberen Teil der Scheibe deine Sicht einschränkt und den Reisenden mit Phantasie glauben lässt, er sitze im Inneren einer von einem Wasserfall verschlossenen Höhle. 

Rhein im Regen.